Nachhaltige Beschaffung

Ausgangslage

 

Häufigere Unwetter mit Tornados wie jüngst in Paderborn, Lippstadt und Höxter, Hochwasserkatastrophen durch Starkregen oder Hitzeperioden als Folgen der Klimaerwärmung sind immer häufiger spürbar. Sie verursachen jedes Jahr immense Kosten – ganz zu schweigen von dem persönlichen Leid der unmittelbar Betroffenen.

 

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich daher zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu wirtschaften. Aus den aktuell vom Umweltbundesamt (UBA) und dem Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK) vorgestellten Daten geht hervor, dass der deutschlandweite Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen im vergangenen Jahr weiter um 4,5 Prozent gestiegen ist.
Viele Verantwortliche stellen sich daher die Frage: Was kann eine Kommune dazu beitragen, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren?

 

Ein wesentlicher Aspekt, den es hierbei zu beleuchten gilt, ist das öffentliche Beschaffungswesen. Als größte Volkswirtschaft in Europa verfügt die Bundesrepublik Deutschland über einen der bedeutendsten öffentlichen Beschaffungsmärkte. Er umfasst jährlich rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das entspricht etwa 500 Milliarden Euro!
Das öffentliche Beschaffungswesen ist somit ein hervorragendes Instrument zur Förderung gesellschaftlicher Ziele. So können Kommunen beispielsweise durch den Kauf von energieeffizienten Maschinen oder den Umstieg von Verbrennungs- auf Elektromotoren den technologischen Wandel aktiv voranbringen.

 

Der Wille, etwas zur Verbesserung des Klimas und der Umwelt beizutragen, ist vielerorts groß. Ebenso groß ist aber auch die Verunsicherung, wie Nachhaltigkeitskriterien zum Beispiel in der Beschaffung rechtlich und praktisch umgesetzt werden können.  

 

 

Nachhaltigkeit im Vergabewesen

 

Im Vergaberecht finden sich bereits gesetzliche Regelungen für eine ökologisch und sozial faire Gestaltung der öffentlichen Auftragsvergabe. Die rechtlichen Grundlagen für die Berücksichtigung anderer als wirtschaftlicher Kriterien finden sich etwa in § 97 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Hier heißt es, dass bei der Vergabe Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte berücksichtigt werden.
§ 67 Vergabeverordnung (VgV) enthält darüber hinaus konkrete Vorgaben zur Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungen.

 

Hinzu kommen spezialgesetzliche Regelungen wie zum Beispiel das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG), welches einen konkreten Anteil sauberer - also emissionsarmer bzw. –freier - Nutzfahrzeuge bei Neuanschaffungen vorgibt. Oder das Lieferkettengesetz (LkSG), das am 01. Januar 2023 in Kraft tritt. Mit diesem Gesetz wird erstmals die Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten geregelt.

 

Nachhaltig sind Produkte dann, wenn sie im Einklang von Mensch, Wirtschaft und Natur hergestellt, genutzt und nach Ende ihrer Lebensdauer entsorgt werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die nachhaltige Forstwirtschaft, die Sorge trägt, dass gefällte Bäume nachgepflanzt werden. Ein anerkanntes Label für Holzprodukte, die dieses Merkmal erfüllen, ist beispielsweise das FSC-Warenzeichen. Neben den ökologischen sollten auch soziale Aspekte - wie beim Lieferkettengesetz gefordert - Beachtung finden. So möchte sicher keine öffentliche Verwaltung, dass die beschaffte Dienstkleidung durch Kinderarbeit angefertigt wurde. Und letztlich ist auch der ökonomische Grundgedanke bei der nachhaltigen Beschaffung nicht außer Acht zu lassen. Denn gemäß dem Grundsatz der Generationengerechtigkeit[1] sollten wir alle so wirtschaften, dass unsere Nachkommen nicht für die durch uns aufgehäuften Schulden aufkommen müssen.

 

Praktische Umsetzung

 

Aber wie soll man nun konkret vorgehen? Zielführend ist eine strategische Ausrichtung öffentlicher Bedarfs- und Beschaffungsstellen hin zu nachhaltigeren Vergabeverfahren. Die Ziele können durch entsprechende Beschlüsse der kommunalpolitischen Gremien formuliert werden. Hierbei ist es bereits möglich, konkrete Vorgaben zu definieren - beispielsweise, dass zunächst bei 40 Prozent aller Beschaffungen Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen sind. Der Wert kann natürlich auch mit einer jährlichen Steigerungsrate versehen oder in den Folgejahren evaluiert und angepasst werden.

 

Diese strategischen Vorgaben sollten die Kommunen anschließend in ihre kommunalen Beschaffungsregelungen integrieren. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien können die Verantwortlichen beispielsweise einfordern, indem sie eine entsprechende Auseinandersetzung in den Vergabevermerken verpflichtend vorsehen. So müssen die Bedarfsstellen nicht nur eine Aussage zu möglichen Nebenangeboten oder der Aufteilung in Lose, sondern auch zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien treffen.  

 

Von besonderer Bedeutung für den Erfolg bei der Umstellung auf ein nachhaltiges Beschaffungswesen ist die Sensibilisierung nicht nur der Vergabe- sondern auch der Bedarfsstellen. Denn die Bedarfsstellen formulieren die fachlichen Leistungsbeschreibungen. Wenn hier Nachhaltigkeitskriterien außer Acht gelassen werden, ist es für die Vergabestelle nur noch schwer möglich nachzusteuern.

 

Dabei können Nachhaltigkeitsaspekte neben der Berücksichtigung bei den Zuschlagskriterien auch bereits bei der Leistungsbeschreibung einfließen. Durch konkrete Vorgaben kann der öffentliche Auftraggeber dann das wirtschaftlichste der nachhaltigen Angebote auswählen. Und ganz nebenbei: „Nachhaltig beschaffen ist nicht gleichbedeutend mit teuer beschaffen“. Zumindest dann nicht, wenn neben den Anschaffungs- auch die Folge- und noch besser die gesamten Lebenszykluskosten (englisch: „Life Cycle Costing“, LCC) bis zu den Entsorgungs- bzw. Rückbaukosten mitberücksichtigt werden. Eine Berechnungshilfe für die Lebenszykluskosten findet sich zum Beispiel auf der Homepage des Umweltbundesamtes.

 

Kommunen sollten zudem vorab festlegen, wie die entsprechenden Nachweise für die ökologische und soziale Unbedenklichkeit von Produkten und Dienstleistungen erbracht werden sollen. Es gibt bereits vielfältige Label für die unterschiedlichen Bedarfe. Diese können beispielhaft in den Leistungsbeschreibungen benannt werden – dann aber bitte immer mit dem Zusatz „oder gleichwertig“.

 

Dabei muss keine Kommune das Rad neu erfinden. Mit der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) hat der Bund eine Plattform geschaffen, die die Kommunen berät und bei konkreten Verfahren begleitet. Zudem gibt es bereits viele gute Praxisbeispiele anderer Kommunen in ganz Deutschland. Der Kompass Nachhaltigkeit veröffentlicht gefasste Ratsbeschlüsse, Dienstanweisungen und Ausschreibungsbeispiele für nachhaltige öffentliche Beschaffung.

 

Ausblick

 

Um die Klimaziele einhalten zu können, wird der Gesetzgeber voraussichtlich nicht umhinkönnen, die gesetzlichen Vorgaben für nachhaltige Beschaffungen in den kommenden Jahren noch auszuweiten. Das ist ein Grund mehr, sich mit diesem wichtigen Thema frühzeitig auseinanderzusetzen und die Weichen für eine nachhaltige Beschaffungspraxis in den Kommunen zu stellen.

 

 

 

Silke Ehrbar-Wulfen

Referentin

Fachteam Bauen, Klima, Vergabe

 

[1] vgl. auch § 75 Abs. 2 GO NRW