Buchführung und Zahlungsabwicklung

„Die Aufsicht und Kontrolle über die Buchführung und Zahlungsabwicklung erfolgt durch die Kämmerin bzw. den Kämmerer.“

 

So oder so ähnlich steht es regelmäßig in den Dienstanweisungen, die die Kommunen in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Verpflichtung in § 32 Abs. 1 der Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen (KomHVO NRW) schriftlich erlassen haben.

 

Dieser Satz ergibt sich aus § 32 Abs. 2 Ziff. 4.3 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 3 KomHVO NRW. Demnach müssen die örtlichen Vorschriften mindestens Bestimmungen über die Sicherheit und Überwachung der Finanzbuchhaltung mit Festlegungen zur Aufsicht und Kontrolle über Buchführung und Zahlungsabwicklung enthalten. Nach Abs. 4 Satz 3 hat die Kämmerin bzw. der Kämmerer die Aufsicht über die Finanzbuchhaltung, sofern sie oder er nicht nach § 93 Abs. 2 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW) als Verantwortliche oder Verantwortlicher für die Finanzbuchhaltung bestellt ist.

Aufgabenstellung und Abgrenzung bis heute

 

§ 32 Abs. 2 Satz 1 KomHVO NRW verlangt aber, dass die Bestimmungen näher ausgeführt werden. Daher stellt sich die Frage, wie die Kämmerin oder der Kämmerer die Aufsicht und Kontrolle wahrnehmen kann oder soll. Klar ist, dass damit nicht die regelmäßigen und unvermuteten Prüfungen nach § 32 Abs. 2 Ziff. 4.4 KomHVO NRW gemeint sind. Diese sind nach § 104 Abs. 1 Ziff. 2 GO NRW Aufgabe der örtlichen Rechnungsprüfung, sofern eine solche eingerichtet ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Kämmerin oder der Kämmerer eine solche Prüfung nicht durchführen darf. Sofern sie oder er im Rahmen der Aufsicht befürchten muss, dass eine Prüfung angezeigt ist, darf sie oder er sie auch wahrnehmen. Deutlicher war die Aufsicht in § 8 Abs. 1 der seinerzeitigen Verordnung über das Kassen- und Rechnungswesen der Gemeinden (KuRVO) beschrieben. Dieser Vorschrift aus dem Jahr 1955 nach hatte sich der Gemeindedirektor laufend über den Zustand und die Führung der Gemeindekasse zu unterrichten. Auf die KuRVO folgte ab dem Jahr 1977 die Gemeindekassenverordnung Nordrhein-Westfalen (GemKVO NRW). Nach § 5 Abs. 1 Ziff. 1 GemKVO NRW war die Gemeindekasse so einzurichten, dass sie ihre Aufgaben ordnungsgemäß und wirtschaftlich erledigen kann. In § 5 Abs. 5 Satz 1 GemKVO NRW war geregelt, dass der Gemeindedirektor die Aufsicht über die Gemeindekasse hat. War ein Kämmerer bestellt, so hatte dieser laut Satz 3 die Aufsicht über die Geschäftsführung der Gemeindekasse.

 

Die Kontrolle als Abgrenzung zur Aufsicht hat demzufolge noch tiefer zu gehen. Während die Aufsicht sich mehr auf die Ausführung des Haushaltsplans bezieht, sollte sich die Kontrolle mehr mit dem operativen Teil befassen. Das Gebot im Sinne des § 5 Abs. 1 Ziff. 1 GemKVO NRW schließt auch die Verpflichtung ein, die Kasse daraufhin zu überwachen, ob die Geschäfte richtig und wirtschaftlich geführt werden.[1] Auch wenn die GemKVO NRW am 16. November 2004 aufgehoben wurde, ist dieses Gebot nicht gegenstandslos geworden. Es ist lediglich nicht explizit in der Gemeindehaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen (GemHVO NRW) bzw. mittlerweile der KomHVO NRW aufgeführt. Denn die Verpflichtung ist, wie eingangs beschrieben, noch wichtiger geworden. § 28 KomHVO NRW umfasst vor allem die Gebote für die Buchführung. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KomHVO NRW müssen die Eintragungen in die Bücher vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden, so dass die Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung nachvollziehbar sind.

 

Allerdings fehlen Festlegungen, wie die Aufsicht und Kontrolle stattfinden soll, regelmäßig in den Dienstanweisungen.

 

Was sollte die Aufsicht und Kontrolle umfassen?

 

Ein zentraler Punkt ist dabei § 23 Abs. 1 KomHVO NRW. Danach sind die der Kommune zustehenden Forderungen vollständig zu erfassen und rechtzeitig durchzusetzen. Der Zahlungseingang ist zu überwachen. In der Praxis hat die gpaNRW im Rahmen der überörtlichen Prüfung in vielen Kommunen vor allem bei der Erfassung von Forderungen Schwächen festgestellt, die sich dann in der hohen Zahl der ungeklärten Einzahlungen widerspiegeln. Daher sollten sowohl die Menge als auch das Alter der ungeklärten Einzahlungen der Kontrolle unterliegen.

 

Die gpaNRW hat dazu eine Kennzahl entwickelt, die die möglichen Schwächen deutlicher machen kann: Die ungeklärten Einzahlungen, die aktuell in der Kommune ohne die erforderliche Sollstellung vorliegen, werden der Menge aller Einzahlungen auf den Geschäftskonten der Kommune gegenübergestellt.

 

Dazu ein Beispiel: In einer Kommune liegen 1.200 ungeklärte Einzahlungen vor. Im vergangenen Jahr hatte diese Kommune gerundet 240.000 Einzahlungen. Daraus resultiert ein Wert von 50 bei der Kennzahl „Ungeklärte Einzahlungen je 10.000 Einzahlungen“. Diese Kennzahl ist mittlerweile im Kennzahlen-Set der gpaNRW implementiert. Kennzahlenwerte von deutlich über 100 sind leider nach unseren Feststellungen keine Ausnahme. Im Einzelfall wurden sogar Werte über 800 ermittelt.

 

Die rechtzeitige Durchsetzung kann über den Mahnrhythmus und die Menge der Mahnungen kontrolliert werden.

 

Die rechtzeitige Durchsetzung hängt aber zunächst von der zeitgerechten Eintragung[2] in die Bücher nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KomHVO NRW ab. Daher ist eine Kontrolle in der Geschäftsbuchführung ebenfalls sinnvoll.

 

Nach der erfolglosen Mahnung sollten die Forderungen zügig an die Vollstreckung übergeben werden. Auch in der Vollstreckung sollten regelmäßige Kontrollen über die Menge der eingehenden, der abgewickelten und der bestehenden Vollstreckungsforderungen durchgeführt werden, um sowohl Überlastungen als auch Verjährungen zu vermeiden.

 

Als ein Indikator für eine sachgerechte Vollstreckung kann unter anderem die Kennzahl „Bestehende Vollstreckungsforderungen je Vollzeit-Stelle Sachbearbeitung Vollstreckung“ herangezogen werden. Auch diese Kennzahl ist im Kennzahlen-Set der gpaNRW enthalten. Grundlage sind hier die zum 01. Januar eines Jahres bestehenden unerledigten Vollstreckungsforderungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es eigene oder fremde Vollstreckungsforderungen sind. Auch der Zeitpunkt des Entstehens der Vollstreckungsforderung ist unerheblich. Dieser Zahl werden die tatsächlich besetzten Stellen in der Sachbearbeitung der Vollstreckung sowohl im Innen- als auch im Außendienst gegenübergestellt. Je höher der daraus resultierende Kennzahlenwert ist, desto höher ist das Risiko eines vollständigen Zahlungsausfalls einzuschätzen. Bei dieser Kennzahl sind Werte oberhalb von 2.000 nach unseren Feststellungen ebenfalls keine Ausnahme. In Einzelfällen wurden auch Werte über 4.000 oder 6.000 ermittelt. Bei einer Jahresleistung zwischen 1.500 und 2.000 abgewickelten Vollstreckungsforderungen je Vollzeit-Stelle in der Sachbearbeitung der Vollstreckung, gleichzeitig aber mindestens Neuzugänge in gleicher Höhe, ist ein signifikanter Abbau ohne Verjährung nur mit höherem Personaleinsatz möglich.

 

Ein weiteres Steuerungsinstrument können verstärkte Niederschlagungen sein. Sofern Stundung, Niederschlagung und Erlass entsprechend § 32 Abs. 3 KomHVO NRW in der Zahlungsabwicklung zentralisiert wurden, kann es vor allem bei den Stundungen und den Niederschlagungen sinnvoll sein, sich unterjährig ein Bild von der Entwicklung in diesem Bereich zu machen.

 

Wie kann die Kontrolle dokumentiert werden?

 

Diese und weitere Daten könnten regelmäßig in einen standardisierten Bericht einfließen, den die oder der Verantwortliche für die Finanzbuchhaltung in festgelegten Rhythmen, beispielsweise vierteljährlich der Kämmerin bzw. dem Kämmerer vorlegt. Die Berichtsform ist deshalb erforderlich, weil ansonsten der Nachweis der Kontrolle nicht zweifelsfrei möglich ist.

 

Die Gegenüberstellung der aktuellen Daten mit dem Referenzzeitraum kann wertvolle Informationen liefern, um eventuelle Handlungsbedarfe zu erkennen und entsprechend zügig zu handeln. Zusätzlich ist die regelmäßige Fortschreibung geeignet, um die Wirkung von eventuellen Gegensteuerungsmaßnahmen erkennen zu können. So besteht beim Beispiel „Bestehende Vollstreckungsforderungen je Vollzeit-Stelle Sachbearbeitung Vollstreckung“ bereits nach kurzer Zeit die Möglichkeit, die Wirksamkeit eines erhöhten Personaleinsatzes zu berechnen. Dabei sollte auch nicht der Blick für den Deckungsbeitrag vergessen werden, da zusätzliche Nebenforderungen in der Vollstreckung generiert werden können.

 

Bei den aufgeführten Beispielen handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern nach Auffassung der gpaNRW lediglich um Mindestanforderungen. In mehreren Kommunen konnte die gpaNRW feststellen, dass deutlich tiefergehende Analysen verschiedenster Werte vorgenommen werden.

 

[1] Kommentar Scheel/Steup zu § 5 GemKVO NRW, S. 96

[2] Zur zeitnahen Eintragung siehe Kommentar gpaNRW zu § 28 Abs. 2 KomHVO NRW, Seite 4 zu § 28

 

Ansprechpartner

Johannes Schwarz 

Prüfung und Beratung